In Athen gehen die Lichter aus

Eine weitere Partei ist die »Partei des Molochs«. Sie rekrutiert sich aus dem griechischen Staatsapparat und seinen Betrieben. Die Partei zerfällt in zwei Gruppen. Zur ersten Gruppe gehören die Beamten und Funktionäre, die in den öffentlichen Diensten und Staatsbetrieben arbeiten. Die zweite Gruppe sind die Gewerkschafter. Die Partei des Molochs ist der außerparlamentarische Arm der jeweiligen Regierungspartei und der Garant des Klientelsystems. Denn ihre große Mehrheit besteht aus Parteikadern und Parteifunktionären.

Das System hat eine lange Geschichte und führt zurück in die Zeiten nach dem Bürgerkrieg, in die fünfziger Jahre. Damals hatten die Nationalisten, die Sieger des Bürgerkriegs, den gesamten Staatsapparat mit Mitkämpfern und linientreuen Gesinnungsgenossen besetzt. Es war die Belohnung für deren Treue zu den nationalistischen Idealen.

Dann kam 1981 – kurz nach dem Beitritt Griechenlands zur EWG – die erste Regierung der sozialistischen Pasok-Partei an die Macht, und die war es, die die beschriebene Praxis zum Parteiprinzip erhoben hat. Am Anfang hörten die Argumente sich noch halbwegs vernünftig an und hatten in der Bevölkerung breite Zustimmung. Die Pasok argumentierte, nach der langen Herrschaft der rechten Parteien sei der Staatsapparat gegenüber liberalen Kräften feindselig gesinnt, und die Pasok könne nicht regieren, ohne die Schlüsselpositionen in der Verwaltung mit vertrauenswürdigen eigenen Leuten zu besetzen. Nur dass es bei den Schlüsselpositionen nicht geblieben ist. Bald war der gesamte Staatsapparat fest in der Hand von Pasok-Mitgliedern und deren Seilschaften. Fast jedes zweite Mitglied der Partei wurde mit einem Posten im Staatsapparat belohnt.

Alle Regierungen haben seither an diesen Seilschaften geknüpft, bis in die ersten Monate der Krise hinein. Es gab ja genug Geld dank der Subventionen aus der EWG und später von der EU. Wenn das Geld nicht mehr reichte, stopfte man die Löcher mit Krediten. Doch die meisten Parteimitglieder im Staatsapparat arbeiten nie oder tun nur das Allernotwendigste. Eine Freundin, die eine Stelle als Ingenieurin in einer Behörde hat, hat Folgendes erlebt: Vor einem Jahr kam ein neuer Kollege in ihre Abteilung. Schon am ersten Tag sagte er: »Liebe Kolleginnen und Kollegen, es tut mir leid, aber ich habe alles, was ich in der Uni gelernt habe, vergessen.« Danach arbeitete er keinen einzigen Tag, und kein Vorgesetzter ging dagegen vor.

kassandra