In Athen gehen die Lichter aus

Die Partei des Molochs ist jedoch gespalten. Ein Teil wäre in der Partei der Märtyrer eher zu Hause. Es sind jene Funktionäre, die nicht über die Parteikanäle in den Staatsapparat geschleust wurden, sondern eine Aufnahmeprüfung machen mussten. Sie sind die einzigen Beamten, die hart arbeiten, manchmal sogar für zwei oder drei andere Kollegen mit, weil ihnen auch die Arbeit der Parteimitglieder aufgebürdet wird. Sie sind Opfer des Systems. Der andere Teil der Moloch-Partei pflegt eine Seilschaft nicht nur mit den Regierungsparteien, sondern auch mit der Partei der Profiteure. Diese große Dreiparteienkoalition regiert und tyrannisiert das Land seit dreißig Jahren.

Die weitverbreitete Pest der Steuerhinterziehung, die den Staatshaushalt ruiniert hat, wäre ohne das Mitwirken der Finanzämter nicht möglich gewesen. Die korrupten Beamten aber werden für ihre Kooperationsbereitschaft von den Steuerhinterziehern großzügig belohnt.

Heute hört man aus der Beamtenschaft lautes Wehgeschrei, denn ihre Gehälter wurden um etwa 30 Prozent gekürzt. Das trifft aber nicht alle gleich. Die Opfer des Systems haben tatsächlich ein Drittel ihres realen Einkommens eingebüßt. Die Koalitionspartner der Profiteure aber beziehen ja nebenher ein schwarzes Einkommen, das sie bis heute nicht deklarieren. Ihre offiziellen Verluste werden durch das schwarze Einkommen ausgeglichen.

Eine Untergruppe in der Partei des Molochs sind die Gewerkschafter. Ich lese oft in deutschen Zeitungen von Generalstreiks und Demonstrationen in Griechenland. Wenn ich auf Lesereise durch Deutschland bin, fragen mich alle: Warum streiken die Griechen so oft?

Der einzige Generalstreik, den Griechenland in den letzten Jahren erlebt hat, fand vor einigen Wochen statt. Das war, als das neue Sparpaket vom Parlament verabschiedet wurde. Bei der anschließenden Demonstration (es gibt in Griechenland keine Streiks ohne Demonstration, auch der allerkleinste Streik kommt nicht ohne Demo aus) versammelten sich auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament rund 140.000 Menschen. Es war die größte Demonstration seit Jahren. Sogar die Geschäftsleute machten ihre Läden zu, nicht weil sie Angst hatten vor Krawallen – was häufig vorkommt –, sondern weil auch sie streikten.

kassandra