Ehrenrettung für Griechenland

Das Geschimpfe auf die Griechen nimmt kriminell-groteske Züge an. Vielleicht deshalb, weil sich bei seriöser Ursachensuche mancher Stabilitätsmahner aus Frankfurt, Brüssel und Berlin als mitschuldig entpuppen würde.

Ja, es war dumm von griechischen Politikern, das Staatsdefizit schönzurechnen. Und ja, es sieht so aus, als hätten die Griechen mehr ausgegeben, als sie es eigentlich hätten tun sollen. Was Hinz und Kunz aber mittlerweile so alles über Griechenland und seine Krise von sich geben, nimmt allmählich groteske Züge an. Da wird der „Niedergang“ des Landes beschworen, der Grieche per se zum Schummler und die gesamte Wirtschafts- und Finanzpolitik für „schlecht“ erklärt. Meist von Sesselkommentatoren, die sich bis vor Kurzem bestenfalls mit Ouzo auskannten. Und der Chefökonom der Europäischen Zentralbank (EZB) empfiehlt gleich mal durchweg sinkende Löhne. Hau ruck. Mit Gewissenhaftigkeit hat das ähnlich viel zu tun wie das Tricksen der Zahlenmeister aus Athen. Dabei spricht viel dafür, dass die Krise allein durch griechische Mentalitätsmängel kaum erklärbar ist. Manch europäischer Moralapostel scheint da eher davon ablenken zu wollen, dass er zum Desaster beigetragen hat

Schuld sind sinkende Steuereinnahmen

GRD-AusgabenquoteEs ist keine drei Jahre her, da schwärmten OECD-Ökonomen, Griechenland habe „die zweitbeste Performance aller Industrieländer“, die Wirtschaft sei sei „dank struktureller Reformen robuster geworden“, die Etatkonsolidierung komme voran. Das längerfristig angelegte Potenzialwachstum wurde auf vier Prozent veranschlagt. Und bei der EU-Kommission kann man seitenlang nachlesen, was Athen alles entbürokratisiert oder wie es etwa Elektrizitätswerke und Telekommunikationsbetriebe privatisiert hat.

Griechenlands Staatsdefizit war trotzdem zu hoch, klar. Nur hätte das in Normalzeiten keinen Bankrott legitimiert (das tut es selbst jetzt nicht). Und: der Grund scheint auch gar nicht in Ausgabenschluderei zu liegen: Gemessen am Bruttoinlandsprodukt gaben griechische Staatseinrichtungen bis zum Eintreffen der Finanzschockwellen 2007 weniger Geld aus als die deutschen. Die Staatsquote war niedriger, nicht höher. Sie ist im vergangenen Jahrzehnt sogar gefallen.

kassandra