In Athen gehen die Lichter aus

Der schlimmste Schlag für die mittleren und kleineren Unternehmen ist die Rezession. Dem trostlosen Anblick der leer stehenden Geschäfte begegnet man überall in Athen, auch in den eleganten Einkaufsvierteln. Zum Beispiel in der Patissionstraße. Die Patission, wie die Athener sie nennen, ist die älteste der drei langen Straßen im Zentrum Athens und der Boulevard des Mittelstands. Ich kenne die Straße sehr gut, denn ich wohne ganz in der Nähe. Die Patission war immer schwach beleuchtet, aber das machte nichts, denn die Schaufenster leuchteten hell. In diesen Tagen ist die Straße bei Nacht fast stockdunkel, jedes zweite Geschäft hat zugemacht. Und die paar Läden, die überlebt haben, versuchen sich mit Sonderangeboten durchzuschlagen.

In der Aioloustraße im Stadtzentrum, einer traditionellen Einkaufsstraße für Kleinverdiener, sieht es noch jämmerlicher aus. Es gibt zwar noch einige Geschäfte, aber die sind leer, die Kundschaft bleibt weg. So ist die Aioloustraße zu einer Fußgängerzone ohne Fußgänger geworden. »Wie lange kann ich noch durchhalten?«, fragte mich die Inhaberin eines kleinen Geschäfts für Herrenausstattung, in dem ich ein paar Strümpfe kaufte. »Es vergehen Tage, bis sich mal ein Kunde in den Laden verirrt.« Man zögert inzwischen schon, einen Laden zu betreten, denn sobald man drinnen ist, wird man vom Inhaber oder Angestellten mit Hiobsbotschaften überschüttet. Die Herrenausstatterin hat nicht durchgehalten: Als ich am vergangenen Samstag wieder durch die Aioloustraße ging, war auch ihr Geschäft geschlossen.

Eine Freundin meiner Schwester arbeitet in einer kleinen Baufirma, die Wohnhäuser errichtet. Der Inhaber hat das gesamte Personal entlassen, bis auf sie. Wer baut schon Häuser, wenn überall welche zum Verkauf stehen, die auch keiner kauft? Die Freundin meiner Schwester hat seit sieben Monaten kein Gehalt bekommen, trotzdem ist sie glücklich, denn sie hat noch einen Arbeitsplatz.

Das Schlimmste für die Mitglieder der Märtyrer-Partei ist die Mutlosigkeit. Sie haben jede Hoffnung verloren. Für sie birgt die Krise keine Perspektive auf eine bessere Zukunft. Spricht man mit ihnen, beschleicht einen das Gefühl, sie warteten nur noch auf das Ende. Wenn weite Teile eines Volkes keine Zuversicht mehr aufbringen, dann ist das Leben sehr bedrückend. In vielen Wohnblocks, in denen die Kleinverdiener und die Menschen mit mittlerem Einkommen leben, wird nicht mehr geheizt. Den Familien fehlt Geld für das Heizöl, oder sie sparen es lieber.

kassandra