Bloß nicht rauswerfen!

Die Deutschen haben ein eigenartiges Vergnügen, an den Ästen zu sägen, auf denen sie sitzen. Die neuste Variante dieser Manie heißt Griechenland aus dem Euro zu schmeißen.

Dabei wird ignoriert, dass der Euro das Herzstück des europäischen Binnenmarktes ist, wo Deutschland seine Exportüberschüsse erzielt. Es wird vergessen, dass der Euro den europäischen Bürgern die schlimmsten Folgen der US-Wirtschaftskrise erspart hat. Mit dem alten Fleckenteppich nationaler Währungen, die früher als Spielball der Spekulation Kosten und Preisrelationen regelmäßig verzerrten, wäre die Arbeitslosigkeit heute doppelt so hoch. Politische Extremisten hätten Oberwasser und das Friedensprojekt Europa wäre in seinen Fundamenten erschüttert. Die Forderung nach einem Ausschluss Griechenlands, oder auch anderer Euroländer, ist nicht nur falsch. Sie gefährdet das nationale Interesse Deutschlands.

Das deutsche Rabaukentum im europäischen Porzellanladen nährt sich aus zwei Quellen: politischem Chauvinismus und falscher Wirtschaftstheorie. Der wiedererwachte Nationalismus in der Berliner Republik geilt sich an der Devise auf, wir machen alles richtig, und „die anderen“ im sonnigen Süden sollen es uns erst einmal nachmachen. Nun gibt es wenig Zweifel dass die konservative Karamanlis Regierung Griechenland viel Schaden zugefügt hat und dass Deutschland für griechische Sozialisten immer ein Vorbild war. Papandreous Regierung braucht Zeit und Hilfe um den delikaten Umbau des Griechischen Staatsapparates erfolgreich zu Ende zu bringen. Stattdessen prügeln deutsche Medien und Politiker mit unverhohlener Xenophobie auf ihren europäischen Nachbarn ein. Frieden sieht anders aus. Haben wir nichts aus der Geschichte gelernt?

Als deutscher Steuerzahler finde auch ich es empörend, wenn ich für die Fehler von Regierungen zahlen soll, die ich nicht selbst gewählt habe. Dies ist ein Fundamentalproblem der gegenwärtigen Verfassung Europas. Aber die griechische Krise hat damit wenig zu tun. Erstens haben deutsche Regierungen seit Jahren aktiv weggesehen, wenn andere Regierungen gemogelt haben, unter anderem weil sie selbst Dreck am Stecken hatten. Zweitens zahlt der deutsche Steuerzahler gar nicht für Griechenland, sondern umgekehrt: Deutschland leiht sich 8.5 Millionen Euro (€103 pro Kopf) für 2,5% und verleiht sie an die Republik Griechenland für 5%. Nettogewinn für den Steuerzahler: 212.5 Millionen Euro im Jahr. Man versteht, warum deutsche Chauvinisten den Gürtel für Griechenland gerne noch enger schnallen möchten.

kassandra