In Athen gehen die Lichter aus

Man könnte die Partei der Profiteure auch »Partei der Steuerhinterzieher« nennen, denn das sind sie allesamt auch noch – vor allem die selbstständigen Gutverdiener wie Ärzte und Rechtsanwälte. Geht ein Grieche in eine Arztpraxis, sagt der Mediziner zu ihm: »Der Besuch kostet 80 Euro, aber wenn Sie eine Quittung wollen, dann kostet er 110 Euro.« Die meisten Patienten verzichten deshalb auf die Quittung, so sparen sie 30 Euro. Das gute Einvernehmen mit der jeweiligen Regierungspartei hat zur Folge, dass die Behörden das System dulden und schweigend wegschauen.

Die Gruppe der mittellosen Bürger dagegen wächst und wächst. Viele können nicht einmal mehr die Zuzahlung für den Kauf von Medikamenten aufbringen. Was machen sie also? Sie wenden sich an die Hilfsorganisation »Ärzte ohne Grenzen«, weil dort bestimmte Medikamente gratis abgegeben werden. Die zwei Athener Kliniken von »Ärzte ohne Grenzen« sind eigentlich für mittellose Migranten gedacht, die auf Schlauchbooten von Afrika herübergerudert sind. Jetzt bitten immer mehr arme Griechen um Hilfe. Manchmal stehen bis zu tausend Menschen am Tag bei »Ärzte ohne Grenzen« Schlange. Darunter zum Beispiel Diabetiker, die sich ihr Insulin nicht mehr leisten können.

Das Elend der Migranten greift auf die Griechen über. Wenn ich früher morgens meine Balkontür öffnete und auf die Straße hinunterschaute, sah ich bis vor einem halben Jahr Flüchtlinge, die in den Mülleimern stöberten, um etwas Essbares zu finden. In den letzten Wochen sind mehr und mehr Griechen dabei. Sie wollen ihr Elend nicht sichtbar machen, deswegen drehen sie ihre Abfalleimerrunde in den frühen Morgenstunden, wenn nur wenige Menschen auf der Straße sind.

Die Profiteure und Steuerhinterzieher haben solche Sorgen natürlich nicht. Sie spüren die Krise kaum. Noch bevor sie über uns hereinbrach, hatten sie ihre Bankkonten schon ins Ausland verlegt. Die griechischen Banken sind in den letzten achtzehn Monaten um etwa sechs Milliarden Euro ärmer geworden, während die ausländischen Banken – vor allem die schweizerischen – sich die Hände reiben.

kassandra