In Athen gehen die Lichter aus

Zur Schulparade am 28. Oktober erschienen die Schüler eines Athener Gymnasiums mit schwarzen Tüchern um den Hals. Dazu muss man wissen, dass der 28. Oktober bei uns als Nationalfeiertag begangen wird, weil er an den Einmarsch der Mussolini-Armee in Griechenland im Jahr 1940 erinnert. Damals errangen die Griechen im Krieg gegen die italienischen Faschisten einen großen Sieg.

Als die Aktion mit den schwarzen Halstüchern publik wurde, gab es einen gewaltigen Aufschrei. »Ein Affront gegen den Nationalfeiertag«, schrieben manche Journalisten. Die vermeintlichen Provokateure waren aber bloß Schüler aus Agios Panteleimon, einem der heruntergekommensten Stadtteile Athens. Agios Panteleimon hat eine der höchsten Arbeitslosenquoten in Attika.

Um das Abitur zu schaffen, brauchen alle Schüler in Griechenland eine sogenannte Vorbereitungsschule. Ohne sie hat man später keine Chance auf ein Uni-Studium. Das gilt auch für die jungen Leute am Gymnasium in Agios Panteleimon. Doch viele von ihnen sind Kinder arbeitsloser Eltern, die die Gebühren für die Vorbereitungsschule nicht mehr zahlen können. Damit haben die Kinder keine Chance auf eine Hochschulbildung. »Wir wollten die Schulparade nicht stören. Wir wollten nur unseren Protest gegen die Zukunft, die uns erwartet, zum Ausdruck bringen«, sagte einer der beteiligten Schüler bescheiden.

Es gibt aber auch die Kehrseite der Medaille. Ich saß an einem Abend der vergangenen Woche im Café meines Verlegers, als eine etwa vierzigjährige Frau auf mich zukam und fragte, ob sie sich zu mir setzen dürfe. Sie wollte mit mir über meinen Kriminalroman Faule Kredite sprechen, in dem es auch um das unter der Wirtschaftskrise ächzende griechische Volk geht. Zum Schluss sagte die Besucherin zu mir: »Ich bin Gymnasiallehrerin in einer Schule in einem der Nordbezirke von Athen. Jeden Tag muss ich mir Vorwürfe machen, wie schlecht wir diese Kinder erzogen haben.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte ich.
»Ich beobachte die Jugendlichen jeden Tag während der Pause. Sie reden nur über Autos, Armani-Jeans und Gucci-T-Shirts. Sie haben keine Ahnung von der Krise und auch nicht von dem, was sie erwartet. Sie kommen von den Eltern verhätschelt in die Schule und werden von uns weiter verwöhnt.«

kassandra