„Zum ersten Mal in Sorge um Griechenland“

kassandra

Die griechische Schuldenkrise und die Verhandlungen mit EU, EZB und Internationalem Währungsfonds verfolgte Georgios Giannopoulos jahrelang eher entspannt. Der Vorsitzende der griechischen Gemeinde und ehemalige Stadtrat war zuversichtlich, dass sich eine Lösung finden würde. Bis Samstag. Nach dem Scheitern der Gespräche sagt er: „Zum ersten Mal bin ich in Sorge um Griechenland.“

Giannopoulos hat viele Verwandte in Griechenland, und was sich in den vergangenen Tagen dort abgespielt hat, „das ist für mich erschreckend“. Schlangen vor den Geldautomaten, Hamsterkäufe – „die Menschen haben kein Vertrauen mehr, sie haben Angst vor dem, was am Montag passiert“. Gewiss hätten die griechischen Regierungen das Land in diese Situation hineinmanövriert. Dennoch müsse man beide Seiten sehen, findet Giannopoulos. Dass Tsipras die Bevölkerung abstimmen lassen will, hält er für richtig – „aber der Zeitpunkt ist äußerst unglücklich“. Er hofft, dass die „europäische Idee“ weiterlebt, zu der gehöre auch eine gemeinsame Währung.

Nikolaos Sapunas hofft immer noch, dass sich die beiden Seiten „auf den letzten Drücker“ einigen können – zum Wohle der griechischen Bevölkerung. „Fällt Griechenland aus dem Euro, dann wird alles noch viel schlimmer“, prophezeit der Wirt der „Neuen Welt“. Dass vom Referendum, das die Regierung Tsipras ins Spiel gebracht hat, ein klares Signal ausgeht, bezweifelt er: Die Griechen seien in dieser Frage in zwei Hälften gespalten. Er selber ist das übrigens auch: „Als Europäer würde ich den Grexit bedauern, als Grieche nicht.“

Auch Konstantinos Kontzinos wirbt um Verständnis. Zwei Geschwister und viele weitere Verwandte des ehemaligen Stadtrats leben in Griechenland. Aus erster Hand weiß er: „Die ganze finanzielle Hilfe kam nicht bei den Griechen an. Sie spüren nicht, was sie der EU alles verdanken.“ Ihre Pensionen und Gehälter sinken, so sie denn noch Jobs haben, die Preise steigen. Ein Beispiel: Ein deutscher Discounter verkaufe in Griechenland abgefülltes Wasser dort doppelt so teuer wie in Deutschland. Kontzinos setzt weiter auf ein gemeinsames Europa mit gemeinsamer Währung: „Ohne Euro wäre es noch schwieriger.“ Das Land habe nur mit Förderprogrammen für die Wirtschaft eine Chance, „sonst kommt es nicht auf die Beine“.

Niko Chidiroglou, 67, seit 50 Jahren in Ulm und 40 davon als Gastronom, schimpft auf die jahrzehntelang falsche Politik in Griechenland. Lange wurde die Politik maßgeblich von fünf Parteien bestimmt. Die zwei großen Parteien Neue Demokratie und Panhellenische Sozialistische Bewegung (PA.SO.K.) banden dabei die Mehrzahl der Wählerschaft. „Die haben uns verarscht, und dann hatten die Griechen die Schnauze voll und haben die Linken gewählt.“ Zum Referendum sagt Chidiroglou: Gestern habe er sich mit Griechen getroffen, aber die Volksabstimmung sei kein Thema gewesen. Er selbst sei Optimist und werde bis zum letzten Moment hoffen, dass das Land nicht bankrott geht. „Das gibt Verlängerung, und in der 93. Minute schießt Griechenland ein Tor.“