Griechisch für Fortgeschrittene

»Die Party auf Pump ist vorbei«

So lautete eine der Schlagzeilen, wenn es in den vergangenen Monaten um den Schuldenberg des griechischen Staates ging. »Die Griechen haben über ihre Verhältnisse gelebt«, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel im April im Bundestag. »Das muss ein Ende haben« forderten die Kommentatoren der Meinungsblätter. Aber die Griechen zuckten mit den Schultern: »Welche Party?«, fragte mich meine Tante Eleonora, kurz bevor ich sie nach Hause bringen wollte. Eleonora hat zwar nie geraucht, ist aber seit Jahren lungenkrank, muss täglich zur ambulanten Behandlung ins Städtische Krankenhaus von Thessaloniki, wo sie an eine Maschine angeschlossen wird, die ihr die Zufuhr von Sauerstoff erleichtert. Sie ist nicht mehr besonders gut zu Fuß.

Tante Eleonoras Rente liegt bei knapp 600 Euro (die Rente, die sie nach 24 Jahren als Putzfrau bei Bosch aus Deutschland bezieht, einberechnet). Große Partys ließen und lassen sich damit nicht feiern.

Mein Onkel Platonas erhält in seinem 15. Dienstjahr als Lehrer aufgrund der beschlossenen Lohnkürzungen seit dem 1. Juli statt 1370 Euro nur noch 1107 Euro. Er hält jetzt die Luft an, um seinen Gürtel enger zu schnallen. Wie lange das gut geht? Er lachte und setzte, als er schon auf der Straße stand, zu einem Sirtaki an. »Wir haben schon Schlimmeres erlebt, auch das werden wir meistern!«, rief er mir zu und drückte seinen Sohn Sokrates fest an sich.

Mein Cousin bekommt seit seiner Kündigung im Oktober rund 290 Euro Arbeitslosengeld. Ein neuer Job ist bei der miesen Wirtschaftslage nicht in Sicht. Die Arbeitslosengeldzahlungen enden in Griechenland nach exakt einem Jahr. Danach zahlt der griechische Staat keinen Cent mehr, Sokrates ist dann auf seine Familie angewiesen. »Ich werde schon etwas finden«, sagte er mir zum Abschied. »Mach dir keine Sorgen!«

Also, von welcher Party war noch mal die Rede? Ach so, ja, da war noch was: das deutsche Sparpaket. Anfang Juni stand Angela Merkel wieder im Bundestag, diesmal ging es nicht um das griechische 300-Milliarden-Defizit, es ging um Deutschlands Schuldenberg von mehr als 1700 Milliarden Euro. Und siehe da, Merkel verwendete wieder diesen Satz, nur änderte sie diesmal das Subjekt, statt »die Griechen«, sagte sie: »Wir alle haben über unsere Verhältnisse gelebt.«

In Blogs, auf Twitter und Facebook regte sich schnell Protest. Gewerkschaften kündigten Widerstand an. Viele Deutsche schimpften auf ihre Regierung und fragten sich empört: »Wir sollen über unsere Verhältnisse gelebt haben?!« Die Antwort des offensichtlich hellenischen Twitterers »Kostakis79« kam postwendend: »Liebe Freunde, willkommen in Griechenland!«

kassandra