Griechisch für Fortgeschrittene

Highway to Hellas – Besuche in Talkshows

Am 5. Februar, lang vor der Hetzkampagne gegen die Griechen, habe ich im SZ-Magazin einen Text mit dem Titel »Highway to Hellas« geschrieben. Es ging um die selbst verschuldete Krise, in die Griechenland geschlittert war. Ich schrieb, dass griechische Politiker Statistiken manipuliert hatten, um in die Eurozone zu gelangen. Ich schrieb über den Schuldenberg von 300 Milliarden Euro, über Fakelakia (Korruption), Rusfeti (Vetternwirtschaft) und Stin Mavri (Schwarzarbeit), ich beschuldigte griechische Politiker, die Krise sei hausgemacht, Ergebnis von dreißig Jahren politischen Versagens.

Ich belegte die Passagen mit anschaulichen Beispielen, mal amüsant, mal desillusioniert. Und ich hatte mit Protest seitens meiner griechischen Verwandten gerechnet. Aber es kam ganz anders, mein Onkel Platonas sagte damals: »Natürlich ist das unangenehm für uns alle, unsere Verantwortung als griechische Bürger liegt darin, dass wir unfähige Politiker gewählt haben, die diese Krise verursacht haben.« Kollegen beglückwünschten mich für den »unterhaltsam« geschriebenen Artikel, ich wurde in Talkshows eingeladen, bei Beckmann und Kerner, und durfte die Beispiele aus »Highway to Hellas« vor laufender Kamera wiederholen. Zum Amüsement der Zuschauer, augenzwinkernd.

Und: Ich gefiel mir in der Rolle. Erst später begriff ich, dass »Highway to Hellas« anderen Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsendungen als Steilvorlage diente, um den Ruf der Griechen gleichsam in den folgenden Wochen zu desavouieren. Ich las fast jeden Tag gehässige Schlagzeilen und war erstaunt, mit welch ungeschminkter Begeisterung viele Politiker, Kollegen und auch Leser in ihren Online-Kommentaren auf die Griechen einprügelten: Mit despektierlichen Pauschalurteilen, mit abschätzigen Behauptungen, mit anstößigen Vergleichen: »Betrüger in der Euro-Familie« titelte der Focus, »Ihr Bettel-Griechen griecht nix von uns«, schrieb die Bild. »Ihr seid offenbar nur bereit zu arbeiten, wenn Ihr dafür Schmiergeld bekommt«, behauptete der Stern. Mit diesen Attacken aus dem deutschen Lager hatte ich nicht gerechnet. Aber kaum jemand schien sich daran zu stören, kaum jemand war die Verteidigung der Griechen ein paar Zeilen wert.

kassandra