Das ungeduldige Kapital hat die einst gemächliche Finanzindustrie umgekrempelt

Die Situation in den Abwicklungsabteilungen, den sogenannten Backoffices, der Wall Street war in dieser Hinsicht paradox. Das im Backoffice tätige Personal der Wall Street war oft viel tiefer in den Firmen verwurzelt als die Spitzenkräfte. Dennoch waren die Unternehmen während der langen Blütezeit der Finanz-industrie intern permanent in Bewegung: Fortwährend wurden die Abteilungen reorganisiert und die Personalbestände neu konfiguriert. Inmitten dieses fieberhaften Strukturwandels wirkte die Teamarbeit nach Einschätzung unserer Informanten nur ausnahmsweise als ein soziales Korrektiv.

Das Backoffice des Finanzkapitalismus betrachtet seine Arbeit zu Recht als Handwerk. Die Buchhalter und Rechnungsprüfer in den Banken und Investmentfirmen müssen wesentlich mehr leisten, als nur mechanisch die Ergebnisse der abgeschlossenen Finanzmarktgeschäfte zu verbuchen. Die Aufbereitung der Zahlen für den institutionellen Gebrauch ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Das Ethos des Handwerkers verlangt von ihm, dass er oder sie gute Arbeit leistet.

Bei Arbeiten, in denen es um technische Fähigkeiten geht, beruht das Vertrauen in die anderen auf der Achtung ihrer Kompetenz, auf der Überzeugung, dass die anderen wissen, wovon sie reden. Die Abwicklungsabteilungen der Wall Street haben jedoch nur wenig Achtung vor den technischen Fähigkeiten der Führungskräfte in den Handelsabteilungen. In der Folge des Crashs hat die gebeutelte Öffentlichkeit -erkennen müssen, wie wenig die zentralen Figuren der Finanzindustrie oft von dem verstehen, was sie tun.

Das Backoffice hielt schon während des Booms, der dem Crash vorausging, viele der Vorgesetzten für inkompetent. Wenn man die Anlagen betrachtet, die diese Leute für sich selbst machten, wird rasch deutlich, dass sie das Management für unfähig hielten. Viele stellten sich nämlich auf einen Konjunkturabschwung ein: Sie vermieden die hochriskanten Investments ihrer Vorgesetzten, verringerten stattdessen ihre Schulden so weit wie möglich und parkierten ihr Geld in sicheren Häfen. Das Vokabular, mit dem diese klugen Leute die Finanzprodukte beschrieben, die das Front Office verkaufte, würde das Herz eines jeden Marxisten höher schlagen lassen: „Märchengold“, „Schrottzertifikate“, „Ramschpapiere mit Betonung auf ‹Ramsch›“ waren einige der Ausdrücke, die sie für diese Finanzprodukte gebrauchten.

kassandra