Das ungeduldige Kapital hat die einst gemächliche Finanzindustrie umgekrempelt

Die Zeitarbeit, oft Teilzeitarbeit, ist eine Auswirkung dieses neuen Ethos. Die Teilzeitarbeit ist heute der am schnellsten wachsende Sektor der Dienstleistungsökonomie. Selbst als Vollzeitbeschäftigte muss in den USA eine junge Berufsanfängerin mit erstem Universitätsabschluss heutzutage damit rechnen, im Laufe ihres Arbeitslebens mindestens zwölf Mal den Arbeitgeber zu wechseln und sich mindestens drei Mal neue „Grundqualifikationen“ anzueignen. Die Qualifikationen, die man mit vierzig Jahren vorweisen muss, sind nicht mehr diejenigen, die man in der Schule erworben hat. Dieser fortwährende Wandel wirkt sich massiv auf das Kontextwissen der Menschen aus.

„Als ich an der Wall Street anfing“, erzählte mir ein Wirtschaftsprüfer, „hatten die Leute noch Lebensstellen in einem Unternehmen. Man konnte gar nicht vermeiden, den Betrieb genau kennenzulernen, insbesondere wenn irgendetwas schieflief. Heute kann davon keine Rede mehr sein.“ Der neue Kontext lässt sich vielleicht durch die Formel „Keiner ist unersetzlich“ beschreiben. Dies war zumindest die Botschaft einer berüchtigten kleinen Inszenierung von Jack Welch, dem ehemaligen Chef von General Electric. Er liess auf der Managementetage stets ein Zimmer leer stehen, um jedem Bewerber vor Augen zu führen, dass keiner seine Stellung bei GE auf ewig gepachtet habe.

Der Aufstieg der Kurzzeitigkeit brachte die Arbeitgeber in den Jahren der Hochkonjunktur vor der Finanzkrise 2008 dazu, den idealen Arbeiter nach dem Vorbild eines Consultant mit universell einsetzbaren Kompetenzen zu formen, dessen Bindungen an bestimmte Orte immer nur vorübergehend sind. Dieses Beratermodell hat auf der Ebene des Managements zu einer völligen inhaltlichen Entleerung der Arbeit geführt.

kassandra