Der Mensch und sein Pilz

Die Annahme, der Mensch sei das geistig höchstentwickelte Lebewesen auf der Erde, ist allein schon wegen des Zustands, in den er diese gebracht hat, nicht mehr aufrechtzuerhalten. Ebenso abwegig ist die Behauptung, der Mensch sei aus morphologischen, serologischen und nicht zuletzt soziologischen Gründen mit den Affen verwandt, denn damit tut man den Affen Unrecht.

Neueste vergleichende Studien legen die These nahe, dass der Mensch überhaupt gar nicht menschlich ist, sondern den Pilzen zugeordnet werden muss. Nicht mit einem Homo sapiens haben wir es bei unsereins zu tun, sondern mit einem Homo fungi. Dieser gedeiht am besten in Großstädten, wo er ein weit verzweigtes unter- und überirdisches Geflecht ausbildet, das so genannte Menschen-Myzel; das unterirdische nennt man U-Bahn-Netz, das überirdische nennt man Alltag. Beide sind farblos.

Nicht nur besteht der Mensch und sein Myzel, wie alle Pilzarten, aus einem Gewirr von Röhren, sondern er führt auch die entscheidensten Dinge seines Daseins mittels Röhren aus: Kriegführen, Fernsehen und sich Fortpflanzen. Im ersten Fall schießt er aus Röhren, im zweiten Fall glotzt er in Röhren und im letzten Fall schiebt er zwei Röhren ineinander. Zwischen den beiden Röhren erfolgt der Sporenaustausch. Von daher rührt auch der allgemein gebräuchliche Ausdruck für Fortpflanzung: jemandem die Sporen geben.

Während die gewöhnlichen Pilze zwischen fünf verschiedenen Arten der Fortpflanzung wählen können, und sie, wie der Mensch, mit Vorliebe bei Dunkelheit und in feuchtwarmem Klima ausüben, hat der Mensch nur zwei Fortpflanzungsarten: die Monogamie und die Polygamie; erstere findet auf dem Papier statt, letztere heimlich.

kassandra