Griechenland gehört zu uns

Die europäischen Staatslenker dürfen nie vergessen: Von 1950 bis 2050 wird der europäische Anteil (einschließlich ganz Russlands) an der Wertschöpfung der Menschheit (globales Bruttoinlandsprodukt) von über 30 Prozent auf unter 10 Prozent sinken. Zudem sind wir der einzige Kontinent, dessen Bevölkerung nicht nur altert, sondern auch schrumpft. Am Ende dieses Jahrhunderts werden wir Europäer nur noch fünf Prozent der Weltbevölkerung ausmachen. Deshalb müssen die Nationen und die Staaten Europas zusammenhalten!

Deshalb braucht Griechenland – selbst im extremen Fall eines Staatsbankrotts! – ein über lange Zeit greifendes Programm, weit über Finanzhilfen hinaus. Das Programm muss orientiert sein an Leitideen wie Beschäftigung, Produktivität und Volkseinkommen. Es muss den griechischen Bürgern eine Wohlstandsperspektive eröffnen. Es muss aus konkreten Projekten bestehen. Zum Beispiel der Integration Griechenlands in eine Energiewende, sodass Sonnenenergie aus Athen nach Nord- und Mitteleuropa exportiert werden kann. Zum Beispiel Infrastrukturprojekte. Zum Beispiel mithilfe von Beschäftigungsgesellschaften, die einen Teil der enormen Jugendarbeitslosigkeit aufsaugen. Zugleich ist aus fiskalischen Gründen der Verkauf von Flughäfen, Häfen und anderem Staatseigentum geboten.

Wenn die EU tatsächlich ein solches Programm zustande bringen wollte, dann wäre dafür gewiss ein treuhänderischer Administrator erforderlich, der ökonomisches Wissen, politische und administrative Erfahrung vereint. Diesen zu finden und sich auf seine Kompetenzen zu einigen wird schwierig, aber unumgänglich sein. Niemand in Athen kommt dafür infrage (auch unter den Politikern oder Bankern in Deutschland sehe ich niemanden, dem diese Aufgabe zuzutrauen wäre). Vielleicht ist Jean-Claude Trichets jüngster Vorstoß eine nützliche Anregung.

Es wäre nicht auszuschließen, dass ein solches Programm dann auch für Portugal oder für Irland fällig wird. Weil aber alle drei Staaten zusammen nur etwa 5 bis 6 Prozent des gemeinsamen Marktes der EU ausmachen oder weil – anders als 1990 in der DDR – keinerlei Systemwechsel nötig ist, so handelte es sich selbst in solchem Falle nicht um eine exorbitante Größenordnung. Wir hätten die Fähigkeiten – was uns fehlt, sind Entschlusskraft und Wille.

Jedenfalls gibt es für die Europäer zwei zwingende Gründe, bei der Wiederankurbelung der griechischen Wirtschaft zu helfen. Denn die Instanzen der EU und der EU-Staaten haben schuldhaft ihre Pflichten versäumt. Auch die Bankenaufsichten haben geschlafen, als Geldhäuser, zum Beispiel die deutsche Pfandbriefbank Hypo Real Estate, dem griechischen Staat in leichtfertiger Weise Anleihen abgekauft haben, die zu bedienen unter Umständen unmöglich wird. Die Kommission in Brüssel hat geschlafen, die Finanzminister haben geschlafen – dürfen sie nun den Armen in Athen schuldig werden lassen? Der Arme ist allerdings auch selber schuldig.

kassandra