Die neue Welt der Lokalpolitik

Früher war alles besser? Keine Ahnung. Später jedenfalls wird alles anders. Davon ist man im Ulmer Rathaus überzeugt. Deswegen bereitet sich die Stadtverwaltung darauf schon mal mit einer Internetoffensive vor.

czischpcDie Verunsicherung ist groß. Welche Rolle spielt der Gemeinderat noch, wenn politische Themen künftig stärker im Internet verhandelt werden? Darum ging es kürzlich im Ulmer Hauptausschuss bei einer Annäherung an das Web 2.0. So heißt das Zauberwort, das die Fortentwicklung des Internets von einer Abrufmaschine hin zum interaktiven Medium beschreibt, mit gravierenden Auswirkungen auf das öffentliche Leben und insbesondere auf das kommunalpolitische, Stichwort: Facebook, Twitter und Co.

Web 2.o als Chance für mehr kommunale Demokratie

Bürgermeister Gunter Czisch ist von der Macht dieser Entwicklung derart überzeugt, dass er inständig dafür wirbt, dabei nicht die Zukunft zu verschlafen. So müsse die Stadt schnell in die so genannten sozialen Netzwerke einsteigen. Die junge Generation sei mit städtischen Themen überhaupt nur noch über das Internet zu erreichen. Also: „Als Standortfaktor einer Stadt ist das eine ganz wichtige Geschichte.“

Darum ist die Verwaltung schon mittendrin und doch ein wenig hinterher: Reutlingen, Stuttgart, Esslingen haben bereits eigene Facebook-Seiten, immerhin: Stadthaus und Museum in Ulm auch. Zuerst wird gebündelt, was an digitaler Ausstattung da ist. In der Umsetzung sind

  • die Versorgung aller Ulmer und Neu-Ulmer mit schnellem Internet, das leistet die SWU-Telenet;
  • die Ausstattung der Schulen mit Internet und Notebooks, das leistet die Abteilung für Bildung uns Sport.

Darauf aufbauend wird ein strategisches Konzept entwickelt, die Experten der Stadt unterscheiden

  • mobil (App-Angebote),
  • portal (Zugang zur Stadt),
  • open (Wünsche der Nutzer),
  • geo (Karten im Internet).

Im Angebot ist bereits die Ulm-App, die bislang 4000 Bürger heruntergeladen haben. Eine Kulturnacht-App, mit der man alles Wissenswerte handlich aufs I-Phone bekommt, ist für Czisch ein weiteres Beispiel, wie die Stadtverwaltung mit wenig Geld – „und guten Leuten“ – schnell etwas aufbauen kann.

Das alles hat nichts mit einer netten neuen Internet-Plattform zu tun, es bringt über kurz oder lang eine komplett neue Ausrichtung kommunalen Denkens und Handelns mit sich. Czisch spricht von einem „Kulturwandel“. Dieser fordert transparente Information von Politik und Verwaltung für alle, einen neuen Draht zum Rathaus mit direkter Kommunikation und mehr Partizipation, Beispiel: Bürgerhaushalt. Das kann im Entscheidungsprozess letztlich zu völlig neuen Verfahren führen, wenn Nutzer Fragen einstellen, die von anderen bewertet werden und Stadtverwaltung und Gemeinderat unter Zugzwang setzen.

Klar, dass Vorschläge junger Menschen dann auch aufgegriffen werden müssen. Grünen-Stadtrat Michael Joukov: „Das spricht sich im Web 2.0 sonst ganz schnell rum.“ Kollegin Ulrike Lambrecht sieht zudem Handlungsbedarf bei einem künftigen Wahlalter ab 16: „Darauf müssen wir uns einlassen.“ Helga Malischewski (FWG) mahnt: „Fluch oder Segen – da das Mittelmaß zu finden, sollte unsere Aufgabe sein.“ Dr. Thomas Kienle (CDU) winkt ab: „Politik findet wie im alten Griechenland immer noch auf dem Marktplatz statt.“ Was über das Web 2.0 reinkommt, müsse eben bearbeitet werden wie ein Fax auch.

Ob nun der Gemeinderat mit dieser ganzen Entwicklung mitgehen will, ist für Czisch aber keine Frage: „Wir werden es wollen müssen.“

Das Donauportal

Als Testgebiet der Internetoffensive der Stadt Ulm ist das Donaubüro auserkoren. Im Aufbau ist ein „Donauportal“, in dem auch das Donaufest integriert ist. Es soll offene Schnittstelle für Termine entlang der Donau sein und virtuelle Perspektiven für Donaupartnerschaften auftun, konkret einen Fotowettbewerb und ein Band-

Voting fürs nächste Donaufest bieten, für das Videos eingestellt werden können.

polis