Was passiert mit den HfG-Exponaten?

Ulm ist heute im Ausland vor allem wegen des Münsters ein Begriff. Vor 50 Jahren war das anders. Die HfG (Hochschule für Gestaltung) auf dem Oberen Kuhberg war die renommierteste Designer-Talentschmiede Europas. Mit der Gründung des HfG-Archivs im Jahr wurde 1987 dem hohen internationalen Stellenwert und dem kulturellen Erbe der HfG Rechnung getragen.

Jetzt steht die Stadt vor einem Luxusproblem: Ehemalige Absolventen bieten dem Archiv Schenkungen ihrer Werke an. Aber: Die Räumlichkeiten in der Pionierkaserne sind für eine Erweiterung einfach zu klein. Über die Zukunft des HfG-Archivs diskutierte am 17. Juni der Fachbereichsausschuss Kultur. Klar ist eins: Die Ausschussmitglieder sind sich der Einzigartigkeit des kulturellen Erbes bewusst. Für Baden-Württemberg ist die Bedeutung des HFG-Archivs gleichzusetzen mit dem Bauhaus in Dessau und dessen Archiv in Berlin. Jetzt gilt es neben den geeigneten Räumlichkeiten auch das passende Konzept für das Archiv zu finden.

Über eben jenes Konzept, neudeutsch Masterplan, beriet der Fachbereichsausschuss Kultur am 17. Juni. Neben den Leiterinnen des HfG-Archivs, Dr. Dagmar Rinker und Marcela Quijano, kam auch externer Sachverstand in Person von Prof.Dr. Florian Hufnagl, Direktor der Neuen Sammlung Pinakothek der Moderne in München, zu Wort. Hufnagl betonte die kulturelle Bedeutung des Archivs als Alleinstellungsmerkmal: „Das HfG-Archiv ist einmalig. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit“. Folglich legte er den Stadträtinnen und Stadträte ans Herz, aus diesem kulturellen Erbe auch etwas zu machen. „Geschichte kann man nicht kaufen. Geschichte kann aber schnell verspielt werden, wenn man nicht aufpasst“, so Hufnagl.

Das HfG-Archiv in der Bedeutungslosigkeit versinken zu lassen, war jedoch weder für die Verwaltung, noch für die Ausschussmitglieder, je eine Option. Vielmehr bedeuteten die mahnenden Worte Hufnagls eine Bestätigung der eigenen Einschätzung. Entsprechend ambitioniert präsentierte sich dann auch der konzeptionelle Entwurf von Dr. Dagmar Rinker und Marcela Quijano. Schnell wurde klar, dass die inhaltliche Weiterentwicklung des HfG-Archivs kein Schnellschuss, sondern nur ein längerfristiger, aus einzelnen Bausteinen bestehender Entwicklungsprozess sein kann.

In der ersten Stufe geht es zunächst einmal um das Wo. Bleibt das HfG-Archiv in der Pionierkaserne und bezieht zusätzliche Räume nach dem Auszug der beruflichen Schule? Oder lässt sich das Wunschszenario eines Umzugs in die ehemaligen Räume der HfG realisieren? Bessere personelle Rahmenbedingungen für die erweiterte Konzeption werden auf jeden Fall geschaffen. Eine auf vier Jahre befristete Halbtagsstelle ist bewilligt und wird von der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg zur Hälfte finanziell getragen. Größere Räume und mehr Exponate allein werden allerdings der Bedeutung des Archivs nicht gerecht. Auch inhaltlich ist man bereit, einen Schritt nach vorne zu tun. Bürgermeisterin Sabine Mayer-Dölle fasste den selbstgesteckten Anspruch wie folgt zusammen: „Die Zeit ist reif, das HfG-Archiv neben seinen originären Aufgaben zu einem lebendigen, interdisziplinär agierenden Forschungs- und Entwicklungslaboratorium des 21. Jahrhunderts zu transformieren. Hierbei wird es nicht darum gehen, die alte HfG aufleben zu lassen, sondern ihre Ideen in der Gegenwart neu zu denken.“

Angedacht ist es, die Produkte zu präsentieren und die inhaltliche Arbeit des HfG-Archivs zusammen mit Kooperationspartnern weiter zu entwickeln – dies könnte durch die Neugründung von Instituten geschehen, z.B. einer ulm akademie und eines ulm lernlabs. In einem weiteren Schritt soll dann ein think tank (Arbeitstitel: ulm denkfabrik) gegründet werden, der die Ergebnisse der Kooperationspartner auswertet, um daraus politische, soziale und wirtschaftliche Konzepte und Strategien zu entwickeln und gestaltungsrelevante öffentliche Debatten anzustoßen.

polis