Ein Europa von unten

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Über 400 Teilnehmer aus ganz Europa haben gestern über die künftige Donaustrategie der EU diskutiert. Quasi von unten sollen so Projekte in Wirtschaft, Umweltschutz und Bürgerbeteiligung konkret werden.

beflaggung-donaukonferenzDie Basis für ein starkes Europa sind überzeugte Europäer. In den Donaustädten sind sie zuhause. Deswegen herzlich willkommen in den Donaustädten Ulm und Neu-Ulm.“ So begrüßte Ivo Gönner gestern die Teilnehmer der Konferenz zur EU-Donaustrategie in Ulm – weniger als gastgebender Oberbürgermeister denn als Präsident des Rats der Donaustädte und -regionen. Über 400 Vertreter aus 19 Ländern – von Regierungen und freien Organisationen, aus Wirtschaft und Wissenschaft – versammelten sich dazu im Congress Centrum, das mit Ständen der Donauländer ein bisschen Donaufest-Flair verbreitete.

Gönner lobte die Donaustädte als „nüchterne Akteure“, die entgegen hochfliegender Pläne die Entwicklung des Donauraums mit praktischen Projekten entscheidend vorantreiben könnten. Tatsächlich warnte auch Pawel Samecki, EU-Kommissar für Regionalpolitik, zum Auftakt vor falschen Erwartungen: „Dies ist der erste Schritt auf einem langen Weg.“ Auf dem mit zusätzlichen Finanzmitteln nicht zu rechnen sei; allerdings könnten die Donauländer bereits Mittel aus EU-Förderprogrammen abrufen: 95 Milliarden Euro sind für die Jahre 2007 bis 2013 dafür zugewiesen.

Samecki sprach vom Prinzip der drei Neins: kein neues Geld, keine neuen Gesetze, keine neuen Institutionen. So will Europa die ausufernde Bürokratie im Zaum halten und dafür sorgen, dass sich Länder auf wenige gemeinsame Projekte einigen, die wirklich nötig sind – wirtschaftlich, ökologisch, zivilgesellschaftlich. Die Donaustrategie markiert in Fortsetzung der Ostseestrategie damit eine neue politische Linie der EU. Ulm biete mit seinen Kontakten die Donau hinunter ein gutes Beispiel für solche „makroregionalen“ Verbindungen, für Kooperation und Koordinierung vor Ort.

„Diese Strategie ist Ihre Strategie“, ermunterte der Mann aus Brüssel die Kongressteilnehmer zur Initiative: Erst deren Informationen füllten die Strategie mit Inhalt aus. Der rumänische Umweltminister László Borbély lobte denn auch die „Motivation zur Zusammenarbeit“, die von dieser Dialogplattform ausgehe. Sie biete dann mit regionalen Projekten Zusammenarbeit unter dem Schlüsselwort „Solidarität“.

Für Gönner muss ein Schwerpunkt dabei auf der nachhaltigen Energieversorgung auf Basis regenerativer Technologien liegen. „Der Donauraum kann sich nicht aus dem Klimawandel verabschieden.“ So regte er ein gemeinsames satellitengestütztes Hochwasserfrühwarnsystem an. Außerdem habe die Qualifizierung der Jugend höchste Priorität. Gemeinsame Programme, wie sie bereits durch die Ulmer Initiative beruflicher Schulen zu Energie und Elektrotechnik mit acht Schulen in Donaustädten angestoßen worden sind, könnten dabei helfen.“Wenn das nicht gelingt, laufen die jungen Menschen davon.“

Diese Zielgruppe hatte auch Bozidar Djelic vor Augen. Er hielt als stellvertretender Ministerpräsident Serbiens eine mitreißende Rede für ein Land, das noch gar nicht EU-Mitglied ist, und machte gleich Terminvorschläge. So schlug er vor, Jugendliche der Anrainerstaaten sollten beim großen Musikfestival „Exit“ in Novi Sad im Sommer „tagsüber mal ihre Sichtweise von der Donau darlegen“, um dann abends ihren Spaß zu haben. Außerdem kann er sich Ende des Jahres einen Gipfel zur Umsetzung der Donaustrategie vorstellen. Das Schlimmste wäre, verlaufe diese nach der jetzigen Vorarbeit im Sande. „Wir schaffen etwas aus dem Nichts heraus. Die Bürger müssen etwas sehen.“

Die jetzige Konferenz in Ulm, vorbereitet von den Organisationsstäben aus Ulm und Brüssel in Zusammenarbeit mit Technikern zur Kongressabwicklung aus Paris, war die erste einer Reihe von Beratungen in dieser Sache. Die nächste ist Ende Februar in Budapest, dann geht es nach Wien, weitere folgen. Ende des Jahres soll dann ein Entwurf für eine Donaustrategie mit Aktionsplan der Kommission stehen, die von den Staats- und Regierungschefs der EU zu beschließen ist.

Ein Fluss verbindet Europa

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Kaum fällt das Stichwort, ist Johannes Hahn in seinem Element. Auf keine andere Frage während seiner Anhörung im Europaparlament scheint der designierte EU-Kommissar für Regionalpolitik so inständig gewartet zu haben. „Die Donauraum-Strategie ist ein extrem spannendes Projekt“, sagt der Österreicher und gerät beinahe ins Schwärmen. Dass die Strategie Erfolg haben wird, dafür will Hahn in den kommenden fünf Jahren sorgen. Wie dies gehen könnte, wird der 50-Jährige bei der Auftaktkonferenz heute und morgen in Ulm mit anderen Interessenvertretern diskutieren. Währenddessen nimmt das Projekt hinter den Kulissen immer konkretere Formen an.

Von Westen nach Osten, vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer schlängelt sich das „Blaue Band“. Sechs EU-Mitgliedsstaaten sowie vier Nachbarländer liegen am Lauf der Donau. Sie alle eint eines: der Willen und das Engagement, mehr aus den Gegebenheiten der Geographie zu machen. Jetzt sind die Fluss-Anrainer ihrem Ziel ein ganzes Stück näher. Denn Brüssel macht endlich Ernst mit der Donaustrategie und weist dem Raum damit einen besonderen Platz in seiner Regionalpolitik zu. Nach dem Vorbild des bereits existierenden Ostseeraums sowie der von Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy angestoßenen Mittelmeerunion sollen sich die Regionen an der „Hauptstraße Europas“, wie der ungarische Schriftstelle György Konrad den Fluss nennt, besser vernetzen und voneinander profitieren.

Die EU-Kommission wird dafür konkrete Projekte koordinieren und finanziell unterstützen. Angedacht sind Programme in den Bereichen umweltfreundlicher Verkehrsverbindungen wie der Förderung der Binnenschifffahrt. Aber auch die Energie-Infrastruktur, sprich der Ausbau von Wasser-, Solar- und Windkraft, soll grenzüberschreitend vorangetrieben werden. Im Tourismus sowie im Wasser- und Naturschutz sollen ebenfalls Projekte entstehen.

„Es macht keinen Sinn, wenn jedes Land sein eigenes Süppchen kocht, um seinen Teil der Donauregion zu beleben“, sagt der österreichische Europaabgeordnete Richard Seeber und fügt hinzu: „Wir brauchen eine europäische Strategie.“ Wie diese genau aussehen wird, soll in den kommenden Monaten diskutiert werden. Dazu hat sich die EU-Kommission sogar schon einen Zeitplan zurechtgelegt. Der Startschuss fällt in Ulm – nicht zuletzt als Anerkennung für die jahrelangen Aktivitäten des dortigen Donaubüros. In der Münsterstadt, von wo aus die Donauschwaben im 17. und 18. Jahrhundert den Weg auf den Balkan einschlugen, werden ab heute Interessenvertreter aus sämtlichen Anrainer-Staaten ihre Wünsche und Hoffnungen diskutieren. Wenig später findet ein Gipfeltreffen in Budapest statt. Die gewonnenen Erkenntnisse will die EU-Kommission für ihren Strategie-Entwurf verwenden, der bis September vorliegen soll. Bis zum Ende des Jahres soll der Plan dann von den Mitgliedsstaaten angenommen werden. Ab 2011 will Brüssel mit der Umsetzung der ersten Projekte beginnen – rechtzeitig, wenn mit Ungarn ein Donauland die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.

So wie die beiden Österreicher Hahn und Seeber glaubt auch der baden-württembergische Europaabgeordnete Michael Theurer an den Erfolg des Donauraumes. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen im deutschen Süden ergäben sich dadurch große Chancen in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Auch die historische Dimension des Projektes will der FDP-Abgeordnete nicht übersehen: „Zwanzig Jahre nach der Überwindung der europäischen Teilung kann die Donaustrategie einen Impuls zum Zusammenwachsen des Raumes geben.“

Diese Ansicht vertritt man auch in Budapest. Ungarn hat das Projekt bereits ganz oben auf seiner Agenda angesiedelt. Dem Donauraum soll nicht dasselbe widerfahren wie der Mittelmeerunion: Seit der prunkvollen Auftaktveranstaltung in Paris steht das Projekt still. Der Unterstützung des neuen Regionalkommissars Johannes Hahn kann sich Ungarn jedenfalls sicher sein. Brüssel anerkennt vor allem auch, dass sich entlang der Donau, seit Jahren Beziehungen und Organisationen aufgebaut haben. So haben im vergangenen Sommer zahlreiche Städte und Regionen entlang des Flusses einen so genannten Rat der Donaustädte und -regionen gegründet, um dem eigenen Interesse eine starke Stimme zu geben. Präsident ist der Ulmer Oberbürgermeister, dem die Stadtoberhäupter von Wien und Budapest zur Seite stehen – ein starkes europäisches Trio.

IV. Europäische Konferenz der Donaustädte und -regionen

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Die Donau verbindet Städte und Regionen von zehn europäischen Ländern, darunter sechs EU-Mitgliedstaaten, sie verkörpert deren Geschichte, Gegenwart und Zukunft im gemeinsamen Haus Europa.

Mit der Zusammenarbeit und Partnerschaft der Städte und Regionen entlang der Donau wird ein wichtiger Beitrag geleistet zur europäischen Integration und insbesondere zur Schaffung einer mit festen Strukturen verbundenen europäischen Donauregion vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer.

Diese Zusammenarbeit soll durch gemeinsam entwickelte Projekte weiter vertieft werden und eine feste organisatorische Basis erhalten. Zu diesem Zwecke luden die Oberbürgermeister der Städte Budapest und Ulm, Dr. Gábor Demszky und Ivo Gönner, zur IV. Europäischen Konferenz der Donaustädte und -regionen am 11. Juni 2009 ins Rathaus der Stadt Budapest ein. Das Ziel war, einen Rat der Donaustädte und -regionen zu gründen, der bei den europäischen Institutionen – auch im Hinblick auf EU-Förderprogramme – mehr Gehör und Gewicht verschafft und die Donauländer und -regionen noch stärker vernetzt. Die Einladung zu dieser Konferenz richtete sich an Oberbürgermeister/innen, Bürgermeister/innen und Repräsentanten/innen aller Donaustädte und -regionen.