Stiege: Im Loch wird es Licht

Stiege: Im Loch wird es Licht

stiegeulm_laterne2Die Künstlerin Sofia Dona möchte Städte miteinander verbinden. In Ulm installierte sie dazu eine Straßenlampe aus Athen. Die erhellt jetzt den zur Galerie mit Bar umgewandelten Treppenabgang zur Donau.

Eulen nach Athen tragen? Abgenutzt. Aber eine Straßenlaterne aus Athen nach Ulm transportieren, das ist doch mal was Neues. Sofia Dona hat das am Dienstag getan – via München per Flugzeug und Bahn. Im Reisegepäck der griechischen Künstlerin und Architektin befanden sich drei von einer Straßenkreuzung in ihrer Heimatstadt hochoffiziell abmontierte Lampen. Allerlei Papiere musste die 33-Jährige für die Ausfuhr auf Verlangen der Zollbehörden ausfüllen. Die wollten sichergehen, dass es sich um keinen schrägen Fall von Korruption handelt, sondern um Teile für ein grenzüberschreitendes Kunstprojekt.

Das Licht aus Griechenland soll in Ulm für die kommenden fünf Monate einen lange Zeit ungenutzten, verriegelten und zum Müll-Loch verkommenen Treppenabgang zwischen Herdbrücke, Rosengarten und Donau beleuchten. Gerade hinsichtlich der angespannten politischen Lage zwischen ihrem hochverschuldeten Heimatland und dem eher reichen Deutschland findet Sofia Dona, die unter anderem in Weimar studierte, diese Frage wichtig: „Wer gibt was?“. Mit dem Licht aus Athen kehrt sie den vielbeklagten Subventionsfluss auf humorvoll-spielerische Weise um.

Der Treppenabgang, in dem am Mittwochfrüh die Lampe aufgestellt wurde, war schon 2013 unter Federführung des örtlichen Künstlers und Kurators Martin Leibinger zum – wie er sagt – „ersten Kunstort im öffentlichen Raum in Ulm“ geworden. Der Züricher Künstler Nicolas Vionnet und sein Amsterdamer Kollege Wouter Sibum hatten auf Einladung des rührigen Kulturfahrschul-Initiators inmitten des Treppenabgangs als Teil der Roxy-Aktion „Kunst für alle!“ einen beleuchteten Springbrunnen installiert. Der einst verschmähte Abgang mit seit den 80er Jahren verriegelten öffentlichen Toiletten wurde zum Treffpunkt, ein Stück Stadt von den Bürgern zurückerobert. „Weil’s einfach so ein schöner Ort war“, sagt Leibinger. Dieser Zwischennutzung der „Stiege“ setzen Petra Schmitt und Stefan Bausenhart jetzt noch eins drauf. Ohne städtische Förderung bauen sie die Verbindung zwischen Altstadt und Donau zur Galerie mit Bar aus. Leibinger stellten sie ein Budget zur Verfügung, damit er die griechische Konzeptkünstlerin ins Boot holen konnte. Seit vier Wochen sind die Mode-Designerin und der Kneipier dort am Werk.

„Erst war es schlimm“, berichtet Petra Schmitt. „Viel Dreck.“ Ein Teil der Toiletten wurde saniert, der andere zum Lagerraum ausgebaut. Unter der Überdachung zur unteren Treppe findet sich nun eine Bar. Die soll bis Ende September geöffnet sein. Auf der Stadtmauer, auf halber Höhe und vor der Mauer, direkt an der Donau, sollen Besucher an Steh- und Cafétischen verweilen. Dazu sind weitere Kunstaktionen geplant. Am Mittwoch legte Elektriker Ralph Winter von der Firma Bochtler letzte Hand an den Verteilerkasten, damit Lampe und Kühlschrank angeschlossen werden konnten.

Petra Schmitt besorgte derweil den Schlüssel zum unteren Eingang. Denn das Tor zum Donauradweg wird heute zur Eröffnung, wenn Sofia Donas Straßenlaterne aus Athen offiziell angeknipst wird, als Notausgang gebraucht. Wie ihre zeitgleich in der Griesbadgalerie gezeigten Arbeiten zu „Twinning Towns“ in Detroit und Leipzig will Dona so die Wahrnehmung des öffentlichen Raums verändern, Nichtbeachtetes sichtbar machen.

Auf Einladung Leibingers schaute sie sich die Örtlichkeit im Februar an und entwickelte daraufhin ihr Konzept. Während des Ab- und Aufbaus in Athen und Ulm kam noch eine Kooperation beider Länder zum Vorschein: Die an drei Armen auf einem verzinkten Lampenfuß befestigten Leuchten stammen von der Schwabe-Hellas S.A.. Die heute in Athen und Bulgarien beheimatete Firma entstand 1974 durch ein deutsch-griechisches Joint Venture mit Lizenzgeber Hermann Schwabe aus Urbach bei Stuttgart.

Kurator Martin Leibinger (links) und die griechische Architektin und Künstlerin Sofia Dona begutachten am Mittwoch, 30. April, ihr frisch installiertes Kunstprojekt, eine Straßenlaterne aus Athen. - Foto: Claudia Reicherter
Kurator Martin Leibinger (links) und die griechische Architektin und Künstlerin Sofia Dona begutachten am Mittwoch, 30. April, ihr frisch installiertes Kunstprojekt, eine Straßenlaterne aus Athen. – Foto: Claudia Reicherter
polis